Why not, warum nicht? Diese Frage wurde den rund 30 Teilnehmer:innen unseres Netzwerktreffens am 18. März immer wieder vor Augen geführt. Unter dieser Frage luden wir von Aktiv für Flüchtlinge RLP Cafékoordinator:innen, Mitarbeiter:innen und Interessierte ein, andere Modelle der Begegnung kennen zu lernen. So kam es, dass Glen Ganz, Gründer und Leiter des [why not]-Cafés, dem interessierten Publikum vom Konzept seines Begegnungscafés erzählte.

[why not] heißt eine NGO zur Förderung der ganzheitlichen Integration und des Zusammenlebens der Menschen und ein Café in Hamburg Ottensen, welches die Gemeinschaft und das Gemeinwohl stärken möchte. Das Café versteht sich als Community-Café, in dem viel möglich ist, über den normalen Cafébetrieb hinaus. Es ist ein Ort für Begegnung und Austausch.

In den letzten Jahren war der Betrieb der Begegnungscafés immer sehr herausfordernd, zuerst wegen der großen Anzahl dort ratsuchender Menschen. Dann wurden viele Geflüchtete berufstätig und hatten teilweise andere Bedürfnisse und Tagesabläufe. Es musste überlegt werden, wie geht es weiter? An vielen Orten gibt es nun Überlegungen, diese Orte für weitere Zielgruppen interessant zu machen, ein neues Konzept zu entwickeln und auch weitere Ehrenamtliche zu finden. Gerade jetzt in der Pandemie, wo der normale Betrieb noch nicht möglich ist, gibt es vielerorts Überlegungen, wie die Arbeit weiterentwickelt werden kann.  Wir wollten die Gelegenheit bieten,  neue Konzepte kennenzulernen und vielleicht die eine oder andere Anregung dabei zu gewinnen. Das [why not]-Café diente uns dabei als erstes Good-Practice-Beispiel. Weitere sollen folgen.

Am Anfang der Veranstaltungen machte Glen eine kleine Umfrage unter den Teilnehmenden, wie oft und wie lange deren Begegnungsorte in der Woche geöffnet sind. Die durchschnittliche Öffnungszeit lag dabei bei ein bis zwei Öffnungstagen mit jeweils zwei bis vier Stunden. Beim [why not]-Café sah das, als Glen dort anfing, ganz anders aus.  Damals öffnete das Café zwei Mal die Woche für einen Sprachkurs seine Türen, durch stattfindende Integrationskurse und mit 2000 Euro Startkapital finanzierte sich der Begegnungsort zunächst.  Jetzt hat das Café sieben Tage die Woche auf, 14 Stunden am Tag. Es ist ein Begegnungsort nicht nur für geflüchtete Menschen sondern auch für Migranten der 2. Generation und die ganze Nachbarschaft geworden. Es gibt auch kostenpflichtige Angebote , Menschen, die Geld verdienen tragen dadurch einen Teil der Arbeit des Cafés.  Angebote gibt es aber für alle und Menschen können es auch für ihre eigenen Ideen und Bedürfnisse nutzen. Immer gab es einen großen gemeinschaftlichen Tisch für die Begegnung und für Gespräche um deutsch zu lernen.   „Keine Angst vor großen Zielen zu haben, das ist das Beste“ist eine der Devisen der Initiatoren. „Ein Café ist ein guter Ort für erste Begegnungen. Hierher kommen die Menschen mit Fragen, die sie in Behörden nicht stellen können.“

Kooperationen sind wichtig und verteilen die Arbeit auf viele Schultern.  Die Zusammenarbeit mit einer privaten Rechtshochschule ermöglichte dem Café eine enge rechtliche Unterstützung Geflüchteter.  Beratung oder gar „Betreuung“ von Geflüchteten ist aber nur ein Teilaspekt. Im Mittelpunkt eines Begegnungsortes steht die Frage: „Was brauchen die Menschen in der Nachbarschaft?“ Wenn jemand eine Idee entwickelt, kann er damit zum Café kommen und es wird gemeinsam versucht,  diese Idee zu realisieren. Wenn jemand einfach nur einen Raum braucht, für Kindergeburtstage oder ähnliches, steht dieser genau so zur Verfügung, wie wenn jemand einen Ort für seine Nachhilfe braucht oder eine Bühne, um ein neues Stück vor Publikum auszuprobieren. Und so ist das Beratungsangebot nur eines von vielen Projekten, das in den Räumlichkeiten des [why not]-Cafés ein Obdach gefunden hat. Das Erfolgskonzept: Anerkennen, dass andere Menschen manche  Dinge besser können und andere Dinge wissen als man selbst. Für Glen Ganz und sein Team ist das die Grundlage um einen Begegnungsort zu schaffen, der offen für die Menschen ist. Er sagt dazu: „Jede Herausforderung ist eine Möglichkeit für die Begegnung mit Menschen“.

Integration durch Teilhabe wird hier in Hamburg Ottensen gelebt. Dabei betont Glen Ganz immer wieder, dass neben dem Ziel der Begegnung vieler Menschen auch geschäftliche Aspekte  der Gemeinnützigen GmbH von Anfang an mitgedacht werden müssen. „Der Trick ist, dass man möglichst immer offen hat und  Angebote für eine große Zielgruppe schafft. Man muss im Vorbeigehen denken: Oh das sieht gut aus, die Stimmung ist gut, das Essen ist gut, der Kaffee ist gut.“ und weiter:“ Habt eine Vision und dann geht es an die Umsetzung! Dabei darf man meiner Meinung nach die Leute nicht mit seiner Gemeinnützigkeit überfallen. In welches Café möchte ich selber gerne gehen? In eines mit gutem Kaffee! In eines,  in das ich freiwillig gehe und wo ich nicht das Gefühl habe mich aufzuopfern.“ 

Während er erzählt, sprudeln aus Glen die Ideen für die Zukunft seiner Begegnungscafés: EIn Kochkreis oder eine auf das Café personalisierte Tausch-App für den gesamten Stadtteil.  EIn Friedensmenu gekocht von Köchen aus miteinander verfeindeter Länder. Eines ist sicher, alles wird mal ausprobiert. Warum auch nicht- [why not?]

Am Ende der Veranstaltung zeigen sich die Teilnehmer:innen motiviert,  so zeigen die Feedbackkommentare zu der Frage “ was habe ich heute gelernt“:

  • Offenheit und Mut für Vielfalt als Erfolgsrezept
  • Mutige Visionen zu entwickeln 🙂
  • Sich nicht vom Lockdown entmutigen zu lassen. Vieles geht doch – nur anders
  • Attraktives Cafe lockt auch die „Einheimischen“. Der Gedanke bezahlt guten Kaffee zu verkaufen.
  • Heute habe ich gelernt: „Andere wissen besser was sie wollen“!!
  • Ich brauche Leute,  die mit mir Ideen umsetzen,  die ähnliche Ideen und verschiedene Talente haben und sich zusammen ergänzen können

Wer jetzt interessiert ist mehr zu erfahren, dem empfehlen wir die Lektüre vom hauseigenen Buch: [why not]-Café  – ein Integrationsstartup gründen.

https://www.bod.de/buchshop/why-not-cafe-glen-ganz-9783748187202

Und wer sich das alles noch gar nicht vorstellen kann, hier gibt es noch ein paar schöne Einblicke: https://www.youtube.com/watch?v=JjhFePMIq_Q&t=215s

Und wer sich jetzt denkt, „ dass ist ja alles ganz nett, aber bei uns nicht realisierbar“, dem wollen wir mit auf den Weg geben, dass diese Veranstaltung als Vernetzungstreffen geplant war und nicht als Fortbildung mit einer konkreten Handlungsanweisung.  Eines der Ziele unserer Arbeit ist es,  einen Blick über den Tellerrand zu ermöglichen und Inspirationen zur Weiterentwicklung und Reflexion der eigenen Arbeit anzubieten.  „An unserem Standort machen wir das Optimale zur jetzigen Zeit“ oder “ Unser Begegnungsort muss, um diesem Wort noch gerecht zu werden, eine ganz neue Ausrichtung haben“.  ALLE DIESE ERKENNTNISSE SIND MÖGLICH UND ALLE ORTE HABEN IHRE BERECHTIGUNG. Sie sind vor allem im lokalen Kontext zu verstehen. Regionale,  ebenso wie personelle Bedingungen bestimmen einen Begegnungsort. Darum gibt es auch so eine große Vielfalt.
Wir sind immer an Entwicklungs-Prozessen  zu diesem Thema interessiert, lasst uns teilhaben oder fragt uns an, wenn Ihr Unterstützung und Begleitung bei Veränderungsprozessen wünscht.

Vision und Inspiration für Begegnungsorte – Netzwerktreffen mit Cafékoordinator:innen und dem [why not]-Café Hamburg