Der Bereich rund um das Thema Verschwörungserzählungen und –ideologien ist komplex und unübersichtlich. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat mit „Down the rabbit hole“ jedoch eine Handreichung herausgegeben, die diese Komplexität aufgreift und versucht, einen Überblick zu schaffen. Ergänzend dazu liefert das von der Stiftung entwickelte Planspiel „Die Welt am Abgrund“ für die Arbeit in Vereinen und Initiativen eine Möglichkeit, antisemitische Verschwörungserzählungen zu thematisieren und zu bearbeiten.

Auch in Bezug auf die Themenfelder Flucht und Migration existieren etablierte Verschwörungserzählungen: Sie beziehen sich dabei meist auf den „großen Austausch„. Die Annahme: Die deutsche oder auch europäische „Ursprungsbevölkerung“ wird schleichend von einer ominösen und mächtigen „Elite“ durch andere, leicht zu kontrollierendere, meist muslimische „Völker“ ausgetauscht.

Schnell wird deutlich, welche Muster und Zielsetzungen sich dahinter verbergen. Durch rassistische, nationalistische und identitäre Abgrenzung wird versucht, ein komplexes Phänomen wie Flucht- und Migrationsbewegungen zu vereinfachen, erklärbar zu machen und ideologisch zu nutzen. Die eigene Gruppe wird dabei als vermeintliches Opfer einer globalen Verschwörung dargestellt. Deutlich sieht man hier Parallelen zwischen Antisemitismus und diesen Verschwörungsnarrativen.

Auch wenn es an sich unzählige Verschwörungserzählungen zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Felder und Themenkomplexen gibt, so benennt die Handreichung doch eine gemeinsame Funktion.

  • Sie stiften einen gemeinsamen Sinn und dienen der kollektiven Erkenntnis: Uns geht es schlecht, weil die Weltverschwörung das so geplant hat! Alle geschichtlichen und gesellschaftlichen Ereignisse sind darauf zurückzuführen.
  • Sie schaffen kollektive Identität und ein klares Feindbild durch Abgrenzung: Unser Leben ist ein rechtschaffender Kampf gegen die Weltverschwörung. „Wir“ sind die Guten, die unterdrückt werden, die andern sind die Bösen, die wir bekämpfen müssen.

Die Handreichung geht dabei auch auf Ursachen und die Psychologie von Verschwörungsdenken, auf antisemitische Tendenzen sowie auf mögliche Handlungsoptionen und Herausforderungen in der Auseinandersetzung ein. Sie unterstreicht zudem den Unterschied zwischen legitimer Gesellschaftskritik und dem pseudokritischen Charakter von Verschwörungserzählungen: Kritik ermöglicht neue Handlungs- und Gestaltungsspielräume, Widersprüche werden anerkannt und gemeinsam ausgehandelt. Pseudokritik hingegen ist rückschrittlich und führt zur Abgrenzung. Widersprüche werden aufgelöst, es gibt nur richtig oder falsch.

Notwendiger Handlungsbedarf, auch von zivilgesellschaftlicher Seite, zeigt sich vor allem im Kontext der potenziellen Gefahren, die in der Handreichung benannt werden. Das völkisch-nationalistische Selbstbild und das Schüren von Hass und Gewalt gegen die vermeidlichen „Verschwörer:innen“ führen zur Schaffung einer antidemokratischen Parallelwelt, die ein demokratisches Zusammenleben in Vielfalt untergraben und dabei versuchen, es zu zerstören.

Mit dem Planspiel „Die Welt am Abgrund“ gibt es dabei zusätzlich eine zivilgesellschaftliche Handlungsoption, um Verschwörungserzählungen aufzudecken und Argumentationsstrategien in der eigenen Initiative oder dem Verein zu entwickeln. Es ermöglicht dabei eine spielerische und offene Auseinandersetzung mit dem Begriff „Wahrheit“ und den Grenzen von Toleranz gegenüber Verschwörungsideologien sowie den Ursachen, Funktionen, dem Aufbau und den Konsequenzen von Verschwörungsdenken.

Sowohl die Handreichung „Into the rabbit hole“ als auch das Planspiel „Die Welt am Abgrund“ samt Materialien, die wir euch beide sehr ans Herz legen, gibt es auf der Homepage der Amadeu-Antonio-Stiftung zu downloaden.

Handreichung „Down the rabbit hole“ und Planspiel „Die Welt am Abgrund“ der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Thema Verschwörungserzählungen