30.07.2023: Welttag gegen Menschenhandel: Die Problematik der mangelnden psychosozialen Versorgung und warum vor allem Migrant:innen und flüchtende Menschen betroffen sind

Wenn wir von Menschenhandel sprechen, reden wir von einer schweren Menschenrechtsverletzung, welche unabhängig der Herkunfts- Transit- oder Zielländer, Menschen betrifft. Unter Menschenhandel versteht man „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung (…) zum Zweck der Ausbeutung“ (Art. 3 Palermo Protokoll). Menschenhandel liegt also vor, wenn Menschen gegen ihren Willen, durch Drohung, Täuschung oder Zwang in Ausbeutungssituationen gebracht werden, aus denen sie sich nicht befreien können.  


Weltweit wurden, laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), 50 % aller Betroffenen des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung und 38 % zur Zwangsarbeit gehandelt (Stand 2020). Jedoch ist zu beachten, dass die Dunkelziffer der Opfer sehr hoch geschätzt wird, zumal die Feststellung von Betroffenen von Menschenhandel sehr schwierig ist. Der UNODC erläutert außerdem im globalen Bericht für Menschenhandel von 2020, dass seit 20 Jahren aufgrund der Corona-Pandemie die Zahlen der Betroffenen erstmals gefallen sind. Diese Feststellung der Minimierung in der Anzahl der gemeldeten Fälle, sind auf die eingeschränkten Möglichkeiten, Menschenhandel während der Pandemie strafrechtlich zu verfolgen und zu bekämpfen, zurückzuführen.

Warum betrifft Menschenhandel aber vor allem geflüchtete Menschen bzw. geflüchtete Frauen? Geflüchtete Menschen befinden sich oftmals in prekären Lebenssituationen, welche dazu führen, dass sie leicht ausgenutzt werden können. Eine der meist verbreiteten Formen von Menschenhandel ist die sexuelle Ausbeutung, von welcher 67 % aller Opfer, Frauen betroffen sind (UNODC, 2020).

Frauenhandel gilt als die extremste Form des Missbrauches im Zusammenhang mit Migration von Frauen. Geflüchtete Frauen können bereits im Herkunftsland verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sein. Darunter fallen z.B. Zwangsheirat, Genitalverstümmlung, häusliche Gewalt, Ehrenmord, etc. Durch die Abhängigkeit von Familienmitgliedern oder das unabhängige Reisen ist eine prekäre Lebenssituation der Migrantinnen bereits gegeben. Durch die strukturelle Benachteiligung von migrantischen Frauen angesichts der Arbeitsmigration, verlaufen sie außerdem dem Risiko unter extremen Arbeitsbedingungen undokumentiert zu arbeiten und ökonomisch ausgebeutet zu werden. Irreguläre Migrant:innen sind aber auch während ihrer Reise auf Schmuggler:innen angewiesen und bestehen dem Risiko sexuell ausgebeutet zu werden. Dies kann zum Beispiel in Form einer Bedrängung zu einer sexuellen Transaktion im Tausch der Genehmigung, die migrierende Person zu schmuggeln oder für ermäßigte Preise und verkürzte Wartezeiten für die Fahrten über das Mittelmeer, auftreten.

Seit 2002 erkennt der UNHCR in seinen Richtlinien zum internationalen Schutz, sexualisierte Gewalt genauso wie Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung als geschlechtsspezifische Verfolgung an. Seit 2005 berücksichtigt das deutsche Asylrecht auch frauenspezifische Fluchtursachen. Auffällig ist, dass viele Frauen aufgrund der Angst des Einflusses auf ihr Asylverfahren, sich verpflichtet fühlen zu schweigen und ihren Fall nicht zu melden.

Die Entstehung von Menschenhandel hat verschiedene Ursachen. Zum Beispiel kann ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen Herkunfts- und Zielländern, Menschenhandel in Form von Arbeitsausbeutung, hervorrufen. Eine weitere Ursache liegt auf der politischen Ebene, denn eine restriktive Einwanderungspolitik verhindert reguläre Migration und führt demnach dazu, dass Migrant:innen und flüchtende Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus verletzlich und ausbeutbar sind.

Zum Beispiel ergaben Recherchen aus dem Jahr 2016 von Amnesty International, dass viele geflüchtete Syrerinnen und Palästinenserinnen im Libanon, aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus, sexuellen Belästigungen oder anderen Missbrauch von Behörden vor Ort ausgesetzt sind. Mehr dazu hier.  

Wie ihr Betroffene von Menschenhandel erkennen und unterstützen könnt, könnt ihr im Policy Paper des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel nachlesen.

Menschenhandel in all ihren Gewaltformen hinterlässt somit zum einen physische Folgen, wie z.B. langzeitige Verletzungen oder sexuell übertragbare Krankheiten, sowie psychische Folgen in Form von Traumata, Depressionen und Suizidgefährdungen. Deutschlandweit gibt es 44 psychosoziale Zentren, welche Psychotherapie für geflüchtete Menschen und Folteropfer anbieten. Der Therapiebedarf reicht jedoch nicht für die existierenden therapeutischen Möglichkeiten aus. So berichtet der Geschäftsführer der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) von Wartelisten zwischen 7.000 und 8.000 Menschen pro Jahr. Die Kapazitäten für Psychotherapie sind trotz akutem Bedarf weiterhin begrenzt.

Ein weiteres Problem zeigt sich jedoch auch bei der Anerkennung von psychischen Erkrankungen. Viele Migrant:innen und geflüchtete Menschen werden häufig nicht untersucht oder der Bedarf an psychosozialer Therapie wird nicht erkannt. Vor allem geflüchtete Kinder werden oftmals nicht schnell genug oder gar nicht als besonders schutzbedürftig identifiziert. Zusätzlich spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle, um das Menschenrecht auf Gesundheit und Wohlbefinden bei geflüchteten Menschen zu erfüllen. Folglich ist die Sprachbarriere für die Therapie und die fehlenden Sprachmittler:innen, welche als Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie gelten, eine weitere Verhinderung, verursacht durch die Unterfinanzierung des Gesundheitssektors für geflüchtete Menschen.

Weiterhin gibt es keine ausreichende psychosoziale Versorgung und Unterstützungsstruktur für Betroffene von Menschenhandel. Es ist deshalb wichtig, im ersten Schritt psychische Erkrankungen als Folgen der Fluchterfahrungen bei Migrant:innen und Geflüchteten schnell genug und bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen anzuerkennen und zusätzlich im zweiten Schritt, den Zugang zu Therapieplätzen für Migrant:innen und geflüchtete Menschen zu ermöglichen. Mehr Informationen zu den Problematiken der psychosozialen Versorgung für geflüchtete Menschen könnt ihr hier nachlesen.

D.K.


Anlaufstellen für Betroffene von Menschenhandel und anderen Formen von Gewalt:

KOK e.V. – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.: https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/der-kok/unterstuetzungsangebote

Weisser Ring e.V.: https://weisser-ring.de/weisser-ring/kontakt

Gemeinsam gegen Menschenhandel: https://www.ggmh.de/opferhilfe/

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: Tel. 08000 116 016

Quellen:

https://menschenhandelheute.net/zahlen-daten-und-fakten/

https://www.antislavery.org/slavery-today/human-trafficking/

http://www.fight-human-trafficking.org/palermo-protokoll/

https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/menschenhandel/was-ist-menschenhandel/formen-der-ausbeutung

https://www.unodc.org/unodc/data-and-analysis/glotip.html


30.07.2023: Welttag gegen Menschenhandel: Die Problematik der mangelnden psychosozialen Versorgung und warum vor allem Migrant:innen und flüchtende Menschen betroffen sind