
Zum dritten Mal organisierten die OMAS GEGEN RECHTS – MAINZ gemeinsam mit dem Kunstprojekt „Trotz alledem!“ zum 8. Mai ein umfangreiches Programm mit Konzert, Lesungen, Filmvorführungen und Stadtrundgängen. civi kune RLP und der Flüchtlingsrat RLP durften in diesem Jahr mitveranstalten und waren bei der Kundgebung am 08. Mai zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus sowie der Lesung am 12. Mai vertreten.
Ein sonniger, aber auch windiger Donnerstag. Am Gutenbergplatz versammelten sich zahlreich Menschen für die politisch kulturelle Kundgebung. In Kooperation mit dem Staatstheater wurde an dessen Eingang eine Art Bühne mit Licht und Lautsprechern zur Verfügung gestellt. Nebenan durften wir und andere Mitveranstaltende Infostände aufbereiten. Vertreten waren ebenfalls mit Ständen die Omas gegen Rechts Mainz, die Eltern gegen Rechts Mainz, welche für Kinder viele Mitmach-Aktivitäten zur Verfügung stellten und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (Gruppe Mainz-Wiesbaden). Mit einem Team von fünf waren wir an unserem Stand gut vertreten und konnten uns innig mit Interessierten unterhalten. Im fliegenden Wechsel kamen Beteiligte mit politischen und kulturellen Beiträge zu Wort, welche den antifaschistischen Widerstand thematisieren, unter anderem Katinka Poensgen (Kinder des Widerstands) und auch Hans Willi Ohl (Vors. der Anna-Seghers-Gesellschaft). Das Ensemble Klezmers Techter begleitete mit Klarinette, Akkordeon und Kontrabass die Kundgebung mit ihren Interpretationen eigener und klassischer Stücke.
Auch civi kune RLP brachte seine Gedanken zum 80. Jahrestag in einer Rede zum Ausruck:
„Heute feiern wir den sogenannten Tag der Befreiung, oder –neutraler formuliert- das offizielle Ende des 2. Weltkriegs. Denn historisch haben die Alliierten nicht gegen das Deutsche Reich Krieg geführt, um es zu befreien, sondern um es militärisch zu besiegen. Befreit im Wortsinne durch alliierte Truppen wurden Hunderttausende vom NS-Regime Verfolgte. Ein Tag der Befreiung war es auch für all jene, deren Länder durch deutsche Truppen besetzt und unterdrückt worden waren.
Für ca. 17 Millionen Menschen kam die Befreiung zu spät. Sie waren bereits vom NS-Regime ermordet worden. Insgesamt sind im Laufe des 2. Weltkrieges 60 bis 70 Millionen Menschen gestorben.
Und die Frage bleibt: Wie konnte so etwas passieren?
Der Aufstieg des Nationalsozialismus begann als schleichender Prozess in den 20er-Jahren. Komplexe Sachverhalte wurden auf einfache Slogans und eindeutige Symbole reduziert. Bestimmte Bevölkerungsgruppen und politische Gegner:innen wurden diffamiert. Der gesamte politische Diskurs verschob sich nach rechts.
Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?
Die Geschichte zeigt uns: Wir müssen aufhorchen, wenn die Überwachung aufgebläht wird. Wir müssen aufschreien, wenn sich die Politik rassistischer Feindbilder bedient. Wir müssen aufbegehren, wenn die Zivilgesellschaft angegriffen wird.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt über die weltweite Entwicklung: „Die menschenrechtliche Architektur, auf die wir uns nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs geeinigt hatten, um Frieden, Freiheit und die Würde aller Menschen zu sichern, wird offen attackiert.“
Auch in Deutschland. Das zeigt der Bericht von Amnesty International. Im Jahr 2024 hat Deutschland 28 Personen nach Afghanistan abgeschoben und damit gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Zudem gab es weiterhin Berichte über exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei bei friedlichen Protesten von Klimaaktivist*innen und Unterstützenden der Rechte der Palästinenser*innen. Die Behörden setzten ihr hartes Vorgehen gegen Solidaritätsbekundungen für Palästinenser*innen fort. Pauschale Versammlungsverbote und Polizeigewalt schränkten zivilgesellschaftliche Handlungsräume massiv ein. Im Oktober wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Leistungen für Asylsuchende unverhältnismäßig reduzierte und biometrische Überwachung sowie polizeiliche Kontrollen ohne den Standard eines begründeten Verdachts ausweitete. Dadurch wurde die Gefahr des Racial Profiling erhöht. Durchrow ist überzeugt: „Wer Sicherheit will, muss Menschenrechte verwirklichen.“ Offensichtlich entfernen wir uns in Deutschland immer mehr von diesem Grundsatz.
Die NS-Diktatur hätte noch im Januar 1933 abgewendet werden können. Aber Franz von Papen und sein Förderer Hindenburg glaubten durch die Beteiligung der NSDAP an einem vereinigten, rechten Kabinett, sich die NS-Führung gefügig zu machen. Wie wir heute alle wissen, war das eine fatale Fehleinschätzung. Die NSDAP hätte auch im Jahr 1930 verboten werden können. Doch es war die Zeit der gefallenen Brandmauern. Man dürfe Beamte nicht entlassen, nur weil sie NSDAP Mitglieder seien, so die vorherrschende Meinung der damaligen Entscheidungsträger. Und: Die NSDAP sollte politisch gestellt werden. Vorangegangen war eine zunehmende Radikalisierung innerhalb der NSDAP, indem gemäßigtere Stimmen herausgedrängt wurden und – wie schon gesagt – eine allgemeine Verschiebung des politischen Diskurses nach rechts.
Und wie sieht es heute aus?
Die AfD gilt in ihrer Gesamtheit inzwischen als gesichert rechtsextrem. Denn das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.
Aber die führenden Männer der CDU/CSU Fraktion sind der Meinung, dass Staatsbedienstete, die der AfD angehören, keine „pauschalen Konsequenzen“ fürchten müssen. Denn Verfassungstreue von Beamten könne nur „einzelfallspezifisch“ geprüft werden. Und man könne eine AfD nicht einfach wegverbieten, sondern man muss sie wegregieren bzw. – laut Klingbeil – politisch kleinkriegen.
Sieht so eine stabile Brandmauer aus?
Wenn uns die CDU in den letzten Monaten eins gezeigt hat, dann dass die Grenzen nicht mehr sicher sind, die Grenzen zwischen der CDU und der AfD! Zwischen Demokratie und autoritärer Fantasie liegt nur noch ein dünner Schleier.
Was der nun Bundeskanzler Friedrich Merz von einer kritischen Zivilgesellschaft hält, die eine klare Brandmauer zu rechtsextremistischen Parteien fordert, hat er bereits kurz nach der Wahl mit einer kleinen Anfrage zu zivilgesellschaftlichen Organisationen gezeigt. Schon lange können wir seinen öffentlichen Statements entnehmen, dass er es mit Fakten nicht allzu genau nimmt, wenn er sich rassistisch über Zugewanderte und Schutzsuchende äußert. Die Auswahl seiner Minister:innen lässt vermuten, dass die Verantwortungsübernahme wie sie im Koalitionsvertrag betitelt wird, bei Demokratie und Miteinander aufhört.
So sieht beispielsweise Herr Dobrindt in solidarischen Strukturen im Flucht- und Migrationsbereich eine Industrie, die den Rechtsstaat sabotieren will. Währenddessen setzt er noch vor Ernennung als Innenminister einen Flug aus dem Sudan mit besonders schutzbedürftigen Menschen aus, die im Rahmen des Resettlement-Programms der EU hätten einreisen sollen. Der Ton ist gesetzt und er ist menschenfeindlich.
Wenn die Brandmauer bröckelt, wer sichert sie noch?
Wir müssen die etablierten Parteien in die Pflicht nehmen, sich endlich den strukturellen und sozialen Problemen unseres Landes anzunehmen um die Lebensbedingungen in Deutschland für alle zu verbessern! Wir müssen uns mit den Menschen solidarisieren, die gerade als Sündenbock für alles herhalten müssen, die rassistisch angegriffen oder diffamiert werden, denen die Entziehung ihrer Menschenrechte droht.
Wir müssen die Einhaltung der Menschenrechte und Menschenwürde für alle konsequent einfordern. Wir müssen uns weiter für eine offene Gesellschaft einsetzen, damit Zugewanderte und Geflüchtete als gleichwertig anerkannt werden und Offenheit und Vielfalt als unsere Stärken begriffen werden.
Der 8. Mai ist für uns eine Mahnung, alles dafür zu tun, dass die Brandmauer niemals fällt: Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen!“
Seht hier ein paar Eindrücke von der Kundgebung:



civi kune RLP durfte die oben genannte Lesung mit einem Grußwort eröffnen. Lest auf unserer Website über diese Veranstaltung.