Im Rahmen einer „Jubiläumsaktion“ möchten wir Euch Initiativen und Vereine in Rheinland-Pfalz vorstellen, die in den vergangenen zehn Jahren gegründet wurden oder in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Diese Online-Vorstellung ermöglicht einen Einblick in die vielfältige Arbeit, die gesammelten Erfahrungen und die Entwicklungen dieser Organisationen. Im Rahmen dessen haben wir zehn Fragen vorbereitet – nachfolgend stellen wir Ihnen die Initiative „der Runde Tisch für Flüchtlinge Lahnstein“ näher vor.
Wie wurde Euer Verein gegründet und warum?
Der Runde Tisch für Flüchtlinge Lahnstein wurde in der Hochphase der Flüchtlingswelle 2015 gegründet. Zu dieser Zeit kamen sehr viele Schutzsuchende nach Deutschland, und auch in Lahnstein stieg die Zahl der Menschen, die untergebracht und betreut werden mussten, massiv an.Die Verwaltung war durch diesen plötzlichen Anstieg stark überlastet. Es fehlten Kapazitäten, um sich um die vielen individuellen Bedürfnisse der Geflüchteten zu kümmern – von der Wohnungssuche über Behördengänge bis hin zu sprachlicher Unterstützung.In dieser Situation entstand die Idee, eine unabhängige Initiative zu gründen, die ehrenamtlich Unterstützung anbietet und die Lücke zwischen den staatlichen Stellen und den Geflüchteten füllt. Die Initiative wurde gegründet, um:
- – eine menschenwürdige Unterbringung zu ermöglichen.
– die Integration zu fördern.
– schnelle und unbürokratische Hilfe bei alltäglichen Problemen und Fragen zu leisten, die in den ersten Wochen besonders dringend sind.
– Sprachkurse und die Vermittlung der deutschen Sprache anzubieten, was als Schlüssel zur Integration gilt.
Was war Euer Ziel zu Beginn – und hat sich dieses Ziel im Laufe der Zeit verändert?
Die Initiative wurde ins Leben gerufen, weil man sah, dass die offizielle Hilfe nicht ausreichte und man den Menschen aktiv, persönlich und vor allem unbürokratisch helfen wollte. So konnten die Geflüchteten von Anfang an besser in der Gesellschaft ankommen. Unsere Ziele sind nach wie vor aktuell und werden weiterverfolgt.
Wie hat sich die gesellschaftliche und politische Lage auf Eure Arbeit ausgewirkt? Wie ist es heute?
Die gesellschaftliche und politische Lage hat die Arbeit des Runden Tisches für Flüchtlinge in Lahnstein maßgeblich beeinflusst, von der Gründung bis heute. Wie die Lage die Arbeit beeinflusste:
Von der Notfall- zu einer Dauerlösung: In der Hochphase der Flüchtlingswelle 2015 reagierte der Verein als unmittelbare Notlösung, um die überlastete Verwaltung zu entlasten. Die Initiative war damals vor allem auf die Erstversorgung fokussiert. Heute hat sich die Initiative zu einer festen, professionell organisierten Institution entwickelt, die sich an die sich wandelnden Bedarfe angepasst hat.
Der Runde Tisch für Flüchtlinge in Lahnstein ist weiterhin sehr aktiv und hat seine Angebote an die aktuelle Situation angepasst. Das Engagement ist nach wie vor groß. Aktuell sind zwischen 40 und 50 Freiwillige in unterschiedlichen Arbeitsgruppen tätig.
Wie haben sich Eure Arbeitsschwerpunkte mit der Zeit verändert?
Die Schwerpunkte der aktuellen Arbeit sind:
Alltagsbegleitung – Unterstützung bei Behördengängen, Arztbesuchen und anderen bürokratischen Fragen.
Integrationsangebote – Organisation von Deutschkursen, besonders für Mütter mit Kinderbetreuung, um ihnen die Teilnahme zu erleichtern.
Begegnung und Austausch – Ein „Café International“ dient als offener Treffpunkt für Geflüchtete und Einheimische, um den Austausch zu fördern.
Praktische Hilfe – Eine Fahrradwerkstatt und ein „Welcome Service“ unterstützen Neuankömmlinge direkt und unbürokratisch
Ein neu installierter Sprachtreff gibt die Möglichkeit seine Sprachkenntnisse in einer offenen und netten Gruppe zu vertiefen.
Wie arbeitet Ihr mit anderen Organisationen, Institutionen oder öffentlichen Stellen zusammen?
Der Runde Tisch für Flüchtlinge in Lahnstein pflegt eine enge und aktive Zusammenarbeit mit verschiedenen öffentlichen Stellen und Organisationen. Diese Kooperation ist entscheidend, um eine ganzheitliche Unterstützung für Geflüchtete zu gewährleisten.
Mit der Stadt Lahnstein: Die Initiative arbeitet eng mit der Stadtverwaltung zusammen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Stadt dem Runden Tisch Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Es gibt einen regelmäßigen Austausch mit dem Oberbürgermeister, was die offizielle Anerkennung und die enge Vernetzung unterstreicht.
Mit dem Sozialamt: Die Zusammenarbeit mit dem Sozialamt ist ein wichtiger Aspekt der Alltagsbegleitung.
Mit der Ausländerbehörde: Obwohl die Ausländerbehörde als eine der größten Herausforderungen genannt wird – Stichwort lange Wartezeiten und verschwundene Dokumente – arbeitet der Runde Tisch mit ihr zusammen. Das Ziel ist es, die Prozesse für die Geflüchteten zu erleichtern und die Ausstellung wichtiger Dokumente, wie Aufenthaltstitel, zu beschleunigen, die für die Integration essenziell sind.
Mit der Kirche und anderen Akteuren: Die Kirche stellt dem Runden Tisch ebenfalls Räume für Aktivitäten wie das „Café International“ zur Verfügung. Zudem bestehen Kooperationen mit Schulen, um die Sprachförderung von neu angekommenen Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Die Initiative ist gut in einem Netzwerk aus lokalen Hilfsgruppen und ehrenamtlichen Initiativen im Rhein-Lahn-Kreis verankert.
Von wem habt Ihr seit Eurer Gründung die meiste Unterstützung erhalten.
Seit der Gründung hat der Runde Tisch für Flüchtlinge in Lahnstein die meiste Unterstützung von der Zivilgesellschaft und von lokalen Institutionen erhalten. Die wichtigsten Säulen der Unterstützung:
Ehrenamtliche Helfer: Die größte Stütze sind die 40 bis 50 ehrenamtlich Engagierten. Ihr persönlicher Einsatz ist das Herzstück des Vereins und ermöglicht alle Angebote, von der Alltagsbegleitung bis zum Sprachunterricht und der Fahrradwerkstatt.
Die Stadt Lahnstein: Die Stadt unterstützt die Initiative, indem sie Räumlichkeiten wie ein Ladenlokal zur Verfügung stellt. Die Stadtverwaltung lobt das Engagement der Initiative und sieht es als einen unschätzbaren Gewinn für die Gemeinschaft.
Private Spenden und Sachspenden: Die Initiative ist stark auf Spenden angewiesen, die sowohl von Privatpersonen als auch von lokalen Unternehmen wie der Energieversorgung (EVM) stammen. So erhalten sie Sachspenden von Familien und finanzielle Unterstützung für ihre Projekte.
Die Kirche: Die Kirche stellt dem Runden Tisch ebenfalls Räume kostenlos zur Verfügung, die für Veranstaltungen wie das „Café International“ genutzt werden, was die Vernetzung in der Gemeinde fördert.
Welche Rolle spielt das Engagement von (ehemals) Geflüchteten selbst im Verein?
Organisatorische Aufgaben: Ehemals Geflüchtete beteiligen sich aktiv an der Organisation von Veranstaltungen wie dem Fastenbrechen oder anderen Festen und helfen dabei, Essen und Getränke bereitzustellen. Ihre Mithilfe bei diesen kulturellen Veranstaltungen sorgt für Authentizität und fördert den interkulturellen Austausch.
Öffentliche Präsenz: Sie halten Reden bei wichtigen Anlässen wie der Jubiläumsfeier. Dies gibt ihnen eine Stimme, macht ihre Erfahrungen sichtbar und stärkt das Vertrauen in die Initiative.
Mitarbeit bei Veranstaltungen: Durch ihre Beteiligung an Festen und anderen Aktionen tragen sie zum Gelingen bei und dienen als wichtige Ansprechpartner für Neuankömmlinge, da sie die Herausforderungen aus eigener Erfahrung kennen.
Welche Begegnungen, Aktionen oder Erfolge sind Euch besonders im Gedächtnis geblieben?
Besondere Begegnungen und Erfolge sind oft die, die in den Köpfen der Engagierten hängen bleiben, weil sie das Miteinander am deutlichsten zeigen. Hier sind einige Beispiele für Aktionen und Erlebnisse, die besonders in Erinnerung geblieben sind:
Jubiläumsfeier: Die Feier zum zehnjährigen Bestehen der Initiative hat alle Beteiligten sehr beeindruckt. Es war ein Moment des Stolzes und der Freude, die gemeinsam geleistete Arbeit zu reflektieren und zu feiern.
Besuch des Tolli-Parks: Diese Aktion war ein großer Erfolg. Solche Ausflüge ermöglichen es den Kindern und Familien, gemeinsam Spaß zu haben, voneinander zu lernen und einfach mal den Alltag zu vergessen.
Fahrtag mit der Miniaturbahn Lahnstein: Solche speziellen Veranstaltungen bieten eine einzigartige Gelegenheit, dass Geflüchtete und Einheimische in einem ungezwungenen Rahmen zusammenkommen.
Grilltage: Das gemeinsame Essen und Feiern bei Grilltagen ist ein fester Bestandteil der Arbeit. Diese zwanglosen Treffen fördern den Austausch und helfen, kulturelle Barrieren abzubauen.
Persönliche Begegnungen: Es sind oft die kleinen Erfolge, die am meisten in Erinnerung bleiben, wie zum Beispiel ein erfolgreich abgeschlossener Behördengang, eine gelungene Vermittlung in einem Sprachkurs oder die Freude, wenn jemand durch die Unterstützung der Initiative eine Wohnung gefunden hat.
Diese Momente zeigen, dass die Arbeit der Initiative weit über die reine Organisation von Hilfsangeboten hinausgeht. Sie schafft eine Gemeinschaft, in der sich Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund begegnen, voneinander lernen und gemeinsam Erfolge feiern können.
Was ist Euer Erfolgsrezept?
Das Erfolgsrezept des Runden Tisches für Flüchtlinge in Lahnstein lässt sich grob zusammenfassen:
Offenheit, Innovationsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit.
Offenheit und Vertrauen: Die Initiative zeichnet sich durch ihre offene Haltung gegenüber den Geflüchteten und der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen aus. Das Vertrauen in die ehrenamtlichen Helfer und die Fähigkeit, neue Mitglieder zu gewinnen, sind entscheidend. Diese Offenheit zeigt sich auch in Angeboten wie dem „Café International“, das als offener Treffpunkt für alle dient.
Immer wieder etwas Neues ausprobieren: Die Initiative ist nicht statisch. Sie hat über die Jahre hinweg immer wieder neue Angebote ins Leben gerufen, die auf die aktuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, beispielsweise die Fahrradwerkstatt , gezielte Deutschkurse für Mütter oder Sprachtreffs.
Sich den geänderten Anforderungen stellen: Das Team hat sich kontinuierlich an die veränderte Lage angepasst. In den ersten Jahren lag der Fokus auf der Erstversorgung von Neuankömmlingen. Als die Zahlen sanken, verlagerte sich der Schwerpunkt auf die langfristige Integration und die Bewältigung bürokratischer Hürden.
Zusätzlich trägt die enge Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und anderen sozialen Trägern maßgeblich zum Erfolg bei. Die Vernetzung ermöglicht es, Ressourcen effizient zu nutzen und die Hilfe an den richtigen Stellen anzusetzen. Der respektvolle Umgang mit den Geflüchteten, die nicht nur als Empfänger von Hilfe gesehen werden, sondern als aktive Gestalter, ist ein weiteres zentrales Element dieses Erfolgsrezepts.
Welche Vision habt Ihr für die nächsten 10 Jahre – für euren Verein und das Ehrenamt im Bereich Flucht & Migration?
Der Runde Tisch für Flüchtlinge in Lahnstein hat, basierend auf der bisherigen Arbeit, eine klare Vision für die kommenden zehn Jahre. Diese Vision betrifft sowohl die Entwicklung der eigenen Initiative als auch die Zukunft des Ehrenamts im Bereich Flucht und Migration.
Vision für die Initiative
Für die nächsten zehn Jahre strebt die Initiative an, ihre Rolle als feste Säule der Integrationsarbeit in Lahnstein weiter auszubauen.
Vom Krisenhelfer zum Integrationspartner: Der Fokus soll sich weiter von der Soforthilfe hin zur langfristigen Integration verlagern. Ziel ist es, Geflüchtete nicht nur bei den ersten Schritten zu unterstützen, sondern sie auf ihrem gesamten Weg in die Gesellschaft zu begleiten – bis hin zu Ausbildung, Beruf und sozialer Teilhabe.
Stärkung der Selbsthilfe: Die Eigenbeteiligung von ehemals Geflüchteten soll noch weiter gefördert werden. Sie sollen nicht nur Unterstützung empfangen, sondern selbst als wichtige Multiplikatoren und Ansprechpartner für Neuankömmlinge agieren und aktiv in der Vereinsarbeit mitwirken.
Sicherung der Zukunft:
Die Initiative will sicherstellen, dass die ehrenamtliche Arbeit auch in Zukunft nachhaltig und professionell bleibt. Dazu gehört, junge Menschen zu gewinnen, neue Projektideen umzusetzen und die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und anderen Partnern weiter zu festigen.
Vision für das Ehrenamt im Bereich Flucht & Migration
Über die eigene Arbeit hinaus hat der Runde Tisch auch eine Vision für das Ehrenamt in diesem Bereich allgemein.
Mehr Wertschätzung und Anerkennung: Das ehrenamtliche Engagement soll nicht mehr als temporäre Lösung in Krisenzeiten, sondern als fester und unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Dies erfordert mehr offizielle Anerkennung und verlässliche Unterstützung vonseiten der Politik und Behörden.
Nachhaltige Strukturen schaffen: Ehrenamtliche Arbeit muss von spontanen Aktionen zu nachhaltigen Strukturen übergehen. Das bedeutet, dass Vereine und Initiativen wie der Runde Tisch verlässliche Anlaufstellen bleiben, unabhängig von den aktuellen Zuzugszahlen.
Fokus auf Begegnung: In Zukunft wird es entscheidend sein, das Miteinander in den Vordergrund zu stellen. Das Ehrenamt soll Brücken bauen und Begegnungen ermöglichen, um Vorurteile abzubauen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
