Wir wollen uns in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt mit dem Begriff der Integration und den Konzepten und den Werkzeugen der Integrationsarbeit beschäftigen. Einerseits, da es insgesamt eine spannende Diskussion zum Begriff gibt,  andererseits  ist es auch  ein „Arbeitsauftrag“ an uns, den wir aus einem der Online- Stammtische und  auch aus  anderen Anfragen per mitgenommen haben.  Dazu werden wir u.a.  eine Veranstaltungen zur Erstellung  von professionellen Integrationskonzepten machen und auch zu einem Netzwerktreffen  speziell für die ehrenamtlichen Integrationsbeauftragten einladen.  Zeitnah werden wir dazu informieren.

Eine erste Auseinandersetzung mit dem Begriff wollen wir schon jetzt anregen.

1.1 Ist der Begriff „Integration“ für unsere Arbeit überhaupt noch zielführend?

Der Begriff „Integration“ wird an fast allen Stellen im Zusammenhang mit mit Geflüchteten dazu benutzt, um zu beschreiben,  wie „gut“ diese in unsere Gesellschaft passen,  beziehungsweise wie weit sich diese bereits an „unser Leben hier in Deutschland“ angepasst haben. Oftmals dreht es sich dabei vor allem um Spracherwerb oder um „kulturelle Normen“. Eine einfache,  aber zugleich sehr treffende und verständliche Darstellung  gibt in diesem Sinne das unten stehende Bild der Aktion Mensch. Nicht nur für den Integrationsbegriff, sondern auch dazu, was unter verwandten Konzepten, wie sozialem Ausschluss aber auch Inklusion in unserer Gesellschaft zu verstehen ist.

Aktion Mensch - Inklusion

https://www.aktion-mensch.de/dafuer-stehen-wir/das-bewirken-wir/kampagnen/service/downloads.html)

Nun muss man sich  beim Betrachten der Grafik fragen, ob viele geflüchtete  Menschen schon „ganz gut integriert“, aber wirklich  auch „inkludiert“ sind?  Oder ist Inklusion doch einfach nur ein neuer Begriff für Integration? Ist es überhaupt noch richtig, von Integration  als Ziel zu sprechen? Wäre es sinnvoller, hier auch von Inklusion zu sprechen?

Deutlich ist auf jeden Fall:  Sozialer Ausschluss ist nicht ansatzweise gerecht und schon gar nicht zielführend für die Arbeit mit Geflüchteten in einer demokratischen Zivilgesellschaft. Das ist  zum Glück in den Köpfen der Akteur:innen angekommen,   aber ist der Begriff „Integration“ für die Arbeit mit geflüchteten Menschen und auch anderen Migranten überhaupt noch zielführend? Oder andersherum: Sollte der Integrationsbegriff wirklich weiterhin als Leitkonzept dieser Arbeit verstanden werden?

Hinter der in vielen gesellschaftlichen Bereichen anzutreffenden Integrationsförderung steckt zugleich doch immer auch schon eine direkte Forderung an die Menschen: „Wenn du dazugehören möchtest, dann musst du dich integrieren! Denn du bist anders als wir!“ Schaut man auf die Aktion-Mensch-Grafik, dann befinden sich die bunten Pünktchen zwar innerhalb des Kreises, der Gesellschaft, aber sie unterscheiden sich auch nach ihrer Integration immer noch von der grauen Mehrheit. Es wird sehr schnell deutlich, dass diese „bunten Anderen“ niemals wirklich dazugehören werden. Sie werden immer „anders“ aussehen, sprechen, einen „fremden“ Namen haben. Und das  wird in unserem Zusammenleben, in den Medien und in der Politik zum Thema gemacht. 

Hierbei stellen sich also schon allein zwei Kernpunkte heraus, warum die Vorstellung von Integration in eine Gesellschaft durchaus eher kritisch gesehen werden kann:

Erstens: Eine Gesellschaft ist niemals homogen! Auch Faktoren wie Sprache, kulturelle Praktiken oder „Hautfarbe“ unterscheiden sich dabei teilweise enorm voneinander.

Zweitens: Es wird von „Integration“ gesprochen, obwohl diese augenscheinlich niemals vollständig gelingen kann. Die integrierten Personen müssen immer wieder beweisen, dass sie auch wirklich in unserer Gesellschaft hineinpassen und werden es damit dem Anspruch nach niemals wirklich sein. Sie bekommen ihr „Anderssein“ immer wieder vor Augen geführt: „Du sprichst aber gut deutsch!“ Oder: „Wo kommst du denn ursprünglich her?“

Wird mit diesen beiden Gedanken im Hinterkopf nun noch einmal die oben stehende Grafik betrachtet, dann scheint doch eher das Konzept einer inklusiven Gesellschaft näher an der Realität unseres Zusammenlebens als das der Integration. Es ist ein Zusammenleben vieler unterschiedlicher und vielfältiger Personen und Gruppen und keine graue homogene Masse. Der Inklusionsbegriff ist in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung längst etabliert und eignet sich doch ebenso für die Arbeit mit geflüchteten Menschen. Wird über eine demokratische Zivilgesellschaft geredet, an der alle Betroffenen mitwirken und teilhaben sollen, dann ist Inklusion in diesem Sinne doch um einiges zielführender als Integration. Warum wird dann noch so oft von Integration gesprochen?

An den Integrationsbegriff sind immer noch viele Projekte und auch Fördermöglichkeiten von Kommunen, Ländern und anderen Trägern gebunden, deren Richtlinien strukturell nicht so einfach verändert werden können. Auch die Wichtigkeit und der Nutzen guter Integrationskonzepte in Kommunen und Landkreisen, solange sie partizipativ erarbeitet wurden und sie nicht in den behördlichen Schubladen verschwinden, soll  keinesfalls in Frage gestellt werden. Menschen als Teil einer Gesellschaft zu sehen, sie also nicht pauschal auszuschließen, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, allerdings sollte an diesem Punkt nicht stehen geblieben werden. Denn auch wenn Projekte und Konzepte mit dem Begriff „Integration“ gelabelt sind, können Aktive trotzdem die Zielvorstellung einer inklusiven Gesellschaft in der Arbeit mit Geflüchteten immer deutlich vor Augen haben.

Um genau diesen Diskurs auf eine konkrete, aber auch strukturelle und politische Ebene zu heben, plant Aktiv für Flüchtlinge Rheinland-Pfalz mehrere Veranstaltungen zu den Themen Integration, Integrationskonzepte und -management auf Kommunal- und Landesebene in den kommenden Monaten. Wenn erreicht werden soll, dass sich Menschen, die selbst eine Fluchtgeschichte haben, auf  Augenhöhe ehrenamtlich engagieren, was auch von politischer Seite gewollt ist, dann führt wohl an der Auseinandersetzung mit den Vorstellungen von Integration (bzw. Inklusion) zukünftig kein Weg mehr vorbei.

Weiterführende links für die eigene Recherche zum Thema:

https://www.tutzinger-diskurs.de/inklusion-ist-mehr-als-integration

https://www.cornelsen.de/empfehlungen/inklusion/ratgeber/inklusion-und-integration

file:///C:/Users/AKAsyl/AppData/Local/Temp/Factsheet_Begriffsklaerung_Integration_Inklusion_final.pdf

https://www.bpb.de/apuz/251219/sprache-kultur-arbeit-zur-inklusion-neu-zugewanderter-durch-bildung

Speziell für Kinder: https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-flucht-migration-und-integration/integration-assimilation-inklusion

Eine aktuelle Debatte: Integration oder Inklusion?